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Verschläft die Industrie ihre Chance?

Tags Industrie 4.0 | Neue Geschäftsmodelle
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Oder: Warum Sie besser heute als morgen die ersten Schritte Richtung Digitalisierung machen sollten


Industrie 4.0 ist in aller Munde. Doch wird unter dem Schlagwort oft nur die Digitalisierung oder Automatisierung der Industrie verstanden. Ihre eigentliche Definition, nämlich eine vollständige Veränderung der Wertschöpfungskette durch die digitale Vernetzung von Maschinen, Anlagen und Produkten, wird gerne vernachlässigt. Seit der Begriff „Industrie 4.0“ 2011 geprägt wurde, ist jedoch genügend Zeit vergangen, um die geschäftliche Basis des deutschen Mittelstands auf neue Füße zu stellen. Geschehen ist bislang aber nur wenig.

 

Werfen wir einen Blick zurück: Seit 1970 konnten im Zuge erster Automatisierungen der Produktion Maschinen zunehmend vernetzt werden. Doch durch fehlende branchenweite Standards gingen viele Hersteller:innen dazu über, ihre Maschinen proprietär zu vernetzen.

 

Erst die Entwicklung von Feldbussen und deren Standardisierung in den späten 80er Jahren konnten den Trend stoppen. Dies war ein zentraler Ausgangspunkt für den späteren Entwicklungsprozess zu Digitalisierung und Industrie 4.0. Denn mittels gemeinsam genutzter Standards können Maschinen und Komponenten unterschiedlicher Hersteller:innen nun ohne zusätzliche, technische Hilfsmittel miteinander kommunizieren. Die Grenzen zwischen digitaler und physischer Welt verschwimmen zunehmend und so könnten intelligente vernetzte Systeme heute durchgängig Aktivitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette unterstützen.

Nutzen was da ist: Sensorik als Schlüssel zum Erfolg


Doch es gibt einen Haken: Maschinen haben eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten (> 30 Jahre). Daraus resultiert, dass vollständig vernetzte Maschinenparks erst in einigen Jahren überhaupt in der Breite existieren werden. Genau aus diesem Grund müssen die Schritte vorerst kleiner ausfallen. Dennoch darf das „Big Picture“ einer Industrie 4.0 – voll vernetzt, wandelbar und selbstorchestriert – nicht aus den Augen gelassen werden.

 

Im Gegensatz zum vollständig vernetzten Maschinenpark, sind Sensoren heute bereits vielfach in den Produktionshallen verbaut. Ein erster Schritt in Richtung Industrie 4.0, denn durch die Sammlung der Daten können im zweiten Schritt wichtige Analysen durchgeführt werden. Entscheidende „Low Hanging Fruits“, die jedes produzierende Gewerbe ernten muss, um effizient produzieren zu können und Kosten zu reduzieren. Die Reduktion von Kosten kann und darf aber nicht als primäres Ziel einer Industrie 4.0 verstanden werden.

 

Dabei sollte nach dem Prinzip des „Minimum Viable Product“ (MVP) vorgegangen werden: Beispielsweise kann anhand des Stromverbrauches einer Maschine ermittelt werden, wie es um den Verschleiß des Werkzeugs bestellt ist. Ein anderer Anwendungsfall wäre es, über gemessene Druckunterschiede auf die Verformung von Werkzeugen zu schließen. Kurz gesagt: Schnelle und einfache Lösungen, die mit intelligenter Algorithmik unterstützen.

 

In jedem Fall ist hier aber Erfahrungswissen nötig, um Entscheidungen auf Basis dieser Analysen zu treffen. Wir sprechen dabei von hybrider Intelligenz, denn je automatisierter wir arbeiten, desto entscheidender sind menschliche Eingriffe. Um diese hybride Intelligenz zu nutzen, müssen Expert:innen aus den Unternehmen und IT-Expert:innen zusammen modellieren, analysieren und die richtigen Schlüsse ziehen. Nur so entfalten die zuvor gesammelten Daten ihre volle Wirkung. Die Einspeisung der so entwickelten Algorithmen in die Verarbeitungsprozesse ist die logische Konsequenz.

Digitaler Zwilling als Abbild der Realität


Die „Low Hanging Fruits“ werden oft vergessen, stattdessen sprechen Unternehmen vor allem den Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Prozessautomatisierung ein hohes Potential zu. Und das völlig zu Recht. Doch dafür muss zunächst die Datenqualität stimmen. Unternehmensseitig wird dieser zwar eine hohe Bedeutung zugemessen, allerdings trifft man in der Realität abteilungsweise Datensilos und kaum vernetzte Datenbasen an.

 

Wenn die Datenbasis stimmt, müssen alle verfügbaren Daten zu Produkten und Maschinen in einem digitalen Abbild des realen Objekts abgelegt werden, dem sogenannten Digitalen Zwilling. Dieser begleitet uns durch die Digitale Transformation zu einer Industrie 4.0. Durch die Analyse der im Digitalen Zwilling vorhandenen Daten wird es in Zukunft nicht nur möglich sein, die Qualität zu steigern oder Produktionsausfälle zu vermindern. Weitere Anwendungsfälle sind beispielsweise smarte Produkte, die auf das Verhalten des Kunden reagieren, bis hin zur wandelbaren Produktion (Losgröße 1), neuen Geschäftsmodellen und zu einer selbstorchestrierten Fertigung.

 

„Data is the new Oil” und um dies zu monetarisieren, muss die Industrie heute beginnen, das Thema Industrie 4.0 in seiner gesamten Bedeutung zu verstehen. Noch ist es nicht zu spät. Experten gehen davon aus, dass 2030 etwa 75% der Industrie vernetzt sein wird. Dies betrifft nicht nur unternehmensinterne Vernetzung, sondern die gesamte Supply Chain. So kann das Potential der Digitalisierung über die gesamte Wertschöpfung genutzt werden.

 

Egal wie wir es drehen, der erste Schritt besteht darin, Daten zu sammeln und ein digitales Abbild der Realität zu schaffen. Dadurch verschaffen wir uns Transparenz und gewinnen Erkenntnisse, die uns helfen weitere Schritte in neue digitale Geschäftsmodelle zu wagen. Durch die Vernetzung der Produkte ist die Industrie in der Lage digitale Ökosysteme zu entwickeln, die nicht mehr das Produkt, sondern den Konsumenten in den Mittelpunkt rücken. Damit werden Hersteller zukünftig in der Lage sein, Informationen über die Verwendung ihrer Produkte zu erhalten, um weitere neue Geschäftsmodelle aufzusetzen.

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